Ricardo N. Werner und Klaus Jansen, Berlin
S3-Leitlinie Urethritis – Was ist neu?

Im September 2024 wurde die syndromorientierte S3-Leitlinie „Management der Urethritis bei männlichen* Jugendlichen und Erwachsenen“ von den beteiligten Fachgesellschaften verabschiedet. Die Leitlinie enthält neben Empfehlungen zur Diagnostik, Differenzialdiagnostik, Therapie und Beratung auch Hinweise zur Indikationsstellung für eine empirische antibiotische Therapie noch vor Erhalt des Erregernachweises.

Die Urethritis (Harnröhrenentzündung) wird durch verschiedene, überwiegend sexuell übertragene Erreger verursacht, darunter Bakterien wie Chlamydia trachomatis (CT), Neisseria gonorrhoeae (NG) und Mycoplasma genitalium (MG). Die Unterscheidung der Erreger und der Ausschluss von Koinfektionen alleine anhand klinischer Merkmale sind nicht zuverlässig möglich. Dennoch wird in der praktischen Versorgungssituation oftmals schon vor dem Vorliegen eines Erregernachweises eine empirische antibiotische Therapie eingeleitet, etwa aufgrund einer ausgeprägten klinischen Symptomatik.

In Federführung durch die Deutsche STI-Gesellschaft (DSTIG) und die Deutsche Dermatologische Gesellschaft (DDG) wurde erstmalig eine syndromorientierte und evidenzbasierte S3-Leitlinie zum klinischen Management von männlichen* Jugendlichen und Erwachsenen mit Symptomen einer Urethritis entwickelt.

Im vorliegenden Artikel werden die wichtigsten Empfehlungen und Neuerungen der Leitlinie zusammengefasst. Weiterführende Informationen finden sich in der Langfassung auf den Seiten der AWMF (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-099).

Auf einen Blick – was ist neu?

  • Syndromorientierte, evidenzbasierte Herangehensweise bei Verdacht auf penile Urethritis unter Berücksichtigung der Erregerepidemiologie und möglicher Koinfektionen
  • Praktisches Flussdiagramm für das klinische Management (Abb. 1)
  • Konkrete Empfehlungen zur Indikationsstellung für eine empirische Antibiotikatherapie vor dem labordiagnostischen oder mikrobiologischen Erregernachweis
  • Hinweise zur Klassifikation als gonorrhoische oder nicht-gonorrhoische Urethritis basierend auf klinischen und mikroskopischen Befunden
  • Verzicht auf Azithromycin in der empirischen Erstlinienbehandlung der Urethritis, um die Entstehung von Resistenzen bei NG und MG nicht weiter zu befördern
  • Empirische Antibiotikatherapie bei Verdacht auf gonorrhoische Urethritis: zusätzlich zu Ceftriaxon mögliche Behandlung von CT-Koinfektionen mit Doxycyclin
  • Verzicht auf Cefixim in der empirischen Therapie aufgrund des Risikos pharyngealer NG-Koinfektionen und somit der Förderung von Cephalosporin-Resistenzen bei NG
  • Kompakte Empfehlungen zur Beratung und Nachsorge

Abb. 1   Flowchart zum klinischen Management bei Verdacht auf penile Urethritis
Abb. 1 Flowchart zum klinischen Management bei Verdacht auf penile Urethritis

Anwendung der Empfehlungen

Ziel der Leitlinie ist die Förderung einer syndromorientierten, evidenz-basierten Herangehensweise an das klinische Management männlicher* Jugendlicher und Erwachsener mit Symptomen einer Urethritis.

Tab. 1   Empfehlungsgrade: Wortwahl, Symbolik und Bedeutung, modifiziert nach GRADE1 und AWMF-Regelwerk2
Tab. 1 Empfehlungsgrade: Wortwahl, Symbolik und Bedeutung, modifiziert nach GRADE1 und AWMF-Regelwerk2

Die Empfehlungen der Leitlinie wurden von einer repräsentativen Kommission konsentiert. Dabei wurden Empfehlungsgrade verwendet, die durch eine standardisierte Formulierung und Symbolik gekennzeichnet sind (Tab. 1, S. 12). In der vorliegenden Zusammenfassung werden Leitlinienempfehlungen teils wörtlich und teils paraphrasiert wiedergegeben und sind als solche durch die Angabe des Empfehlungsgrads gekennzeichnet. Empfehlungen in der Leitlinie beziehen sich auf standardisierte klinische Situationen. Entscheidungen über die Versorgung im Einzelfall müssen jedoch unter Berücksichtigung aller individuell relevanten Gegebenheiten (z.B. Alter, Gewicht, Körpergröße,
Komorbiditäten, Unverträglichkeiten) getroffen werden. Angaben zur Dosierung von Medikamenten entstammen den in den eingeschlossenen Studien untersuchten Dosierungen und reflektieren darüber hinaus die Meinung der Leitlinienkommission. Es handelt sich zum Teil um Indikationen und/oder Dosierungen, die gemäß den Angaben in den Fachinformationen nicht zugelassen sind (off label-use). Die Verantwortung für die Verordnung und entsprechende Aufklärung obliegt der verordnenden Ärztin/dem verordnenden Arzt.

Verdachtsdiagnose

Bei der Urethritis handelt es sich um eine Entzündung der Harnröhre, die durch unterschiedliche, meist infektiöse Ursachen bedingt sein kann. Typische subjektive Symptome sind Dysurie und Algurie sowie Brennen, Juckreiz und Schmerzen im Bereich der distalen Urethra bzw. des Meatus urethrae externus. Begleitend können klinische Anzeichen wie urethraler Ausfluss, Rötung des Meatus und inguinale Lymphadenopathie auftreten. Ein erheblicher Anteil der sexuell übertragenen Urethritiden verläuft jedoch asymptomatisch. Die klinische Verdachtsdiagnose einer Urethritis soll gestellt werden, wenn mindestens eines der folgenden drei Symptome oder klinischen Anzeichen vorliegt (↑↑): (1) urethraler Ausfluss; (2) Dysurie oder Algurie; (3) Brennen, Juckreiz oder Schmerzen im Bereich der distalen Urethra bzw. des Meatus.

Differentialdiagnosen

Dysurie stellt nicht nur ein Leitsymptom der Urethritis dar, sondern auch der Zystitis und des oberen Harnwegsinfekts. Daher sollen, insbesondere wenn Dysurie als vorrangiges Symptom angegeben wird, eine Blasenentzündung und ein Infekt der oberen Harnwege ausgeschlossen werden, wenn zusätzliche Hinweise darauf vorliegen (↑↑), etwa Pollakisurie, Makrohämaturie, Trübung des Urins, suprapubische Schmerzen, Fieber, Minderung des Allgemeinzustandes, fehlende Sexualkontakte (Auswahl). In diesen Fällen sollen zur Diagnostik und Therapie die Empfehlungen der entsprechenden Leitlinien (AWMF-Register-Nr.: 043-044 bzw. 166-004) berücksichtigt werden (↑↑).

Darüber hinaus gelten gesonderte Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie, wenn eine chronische Urethritis vorliegt, definiert als Symptome oder Anzeichen, die länger als sechs Wochen nach adäquater antibiotischer Therapie fortbestehen oder ohne erneuten Erregernachweis rezidivieren. Diese Fälle erfordern eine diffizilere Ursachensuche und Erregerdiagnostik (siehe Langfassung der Leitlinie).

Erregerepidemiologie

Bei Personen mit Symptomen einer penilen Urethritis zeigte sich in epidemiologischen Studien, dass die drei häufigsten Erreger mit einer vergleichbaren Pre-Test-Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind: CT 18% (95%-Konfidenzintervall (KI): 15–22%, GRADE ++OO); NG 14% (95%-KI: 10–18%, GRADE ++OO) und MG 13% (95%-KI: 10–16%, GRADE ++OO).

Das Spektrum möglicher Ursachen umfasst darüber hinaus Erreger, deren Relevanz als Ursache für die Beschwerden im Einzelfall zu bestimmen sind, etwa Ureaplasma urealyticum (UU) sowie seltener nachweisbare Erreger z.B.
Hämophilus ssp., Neisseria menigitidis, Streptokokken oder Adenoviren.

Urethrale Koinfektionen sind häufig. So ist etwa bei Personen mit Nachweis von NG eine Koinfektion mit CT in 21% (95%-KI: 17–26%, GRADE ++OO) und mit MG in 11% der Fälle (95%-KI: 6–18%, GRADE ++OO) zu erwarten. Eine molekulardiagnostische und mikrobiologische Erregerdiagnostik ist daher erforderlich, auch wenn im weiteren klinischen Management eine empirische Herangehensweise entlang der klinischen und/oder mikroskopischen Klassifikation als gonorrhoische oder nicht-gonorrhoische Urethritis gewählt wird.

Erregerdiagnostik

Die Erregerdiagnostik soll, unabhängig vom Vorliegen von Ausfluss, eine Nukleinsäureamplifikationstestung (NAT) auf CT und NG (↑↑) und sollte eine NAT auf MG umfassen (↑). Als diagnostisches Material kann sowohl ein meataler/urethraler Abstrich als auch Erststrahlurin dienen, da diese eine vergleichbare diagnostische Genauigkeit aufweisen.

Urethrale Abstriche werden oft als schmerzhaft empfunden, jedoch bedarf die NAT-Untersuchung von Erststrahlurin einer mindestens zweistündigen vorherigen Miktionskarenz.

Hintergrund der bedingten Empfehlung für die Testung auf MG im Vergleich zur starken Empfehlung zur
Testung auf CT und NG ist die in Populationen mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für eine Infektion epidemiologisch weite Verbreitung der MG-Infektionen, die oft asymptomatisch und teils selbstlimitierend verlaufen. Zudem besteht im Gegensatz zu CT-Infektionen eine ausgesprochen schwierige Behandlungssituation aufgrund der problematischen Resistenzlage.

Resistenztestung

Wenn eine NAT auf MG durchgeführt wird, sollte begleitend eine molekulardiagnostische Testung auf Resistenzmarker gegenüber Makroliden und Fluorchinolonen erfolgen (↑). Darüber hinaus soll bei urethralem Ausfluss ein meataler/urethraler Abstrich zur mikrobiologischen Anzucht und Resistenztestung von NG erfolgen (↑↑). Während NAT-Verfahren bei NG nur sehr eingeschränkt Aussagen über die antimikrobielle Suszeptibilität ermöglichen, ist bei mikrobiologisch-kultureller Anzucht eine breite und phänotypische Resistenzdiagnostik möglich. Vor dem Hintergrund der problematischen Resistenzlage ist der mikro-biologisch-kulturelle Nachweis von NG von Bedeutung, um die individuelle Behandlung bei initialem Therapieversagen zu planen und das bundesweite Monitoring von antimikrobiellen Resistenzen von NG zu stärken. Die molekulardiagnostische Testung von NG auf Resistenzmarker gegenüber Ciprofloxacin kann erwogen werden, wenn Kontraindikationen gegenüber Cephalosporinen bestehen (0).

Empirische Therapie?

Die Rationale für die Durchführung einer empirischen antibiotischen Therapie vor dem Vorliegen eines Erregernachweises ist: 1. die rasch zu erwartende Erleichterung der Symptome bei adäquater antibiotischer Behandlung, 2. die Reduktion von Komplikationen persistierender urethraler Infektionen und 3. eine Reduktion der weiteren Transmission. Während zur Reduktion der Symptomlast durch eine adäquate antibiotische Therapie vielfältige Daten bestehen, liegen nur limitierte empirische Daten vor, die den Nutzen einer empirischen Therapie in Hinblick auf eine Reduktion der Komplikationsraten und der fortgesetzten Transmission untermauern. Die Indikation zur Durchführung einer empirischen antibiotischen Therapie soll daher individuell geprüft werden (↑↑).

Zur Entscheidungsfindung können die im Flussdiagramm aufgeführten Kriterien dienen (Abb. 1). Neben einem hohen subjektiven Leidensdruck oder einer deutlich objektivierbaren Symptomatik sind Aspekte der Praktikabilität, z.B. die Realisierbarkeit eines Follow-up-Termins oder die Umsetzbarkeit einer sexuellen Karenz bis zum Abschluss der Therapie, etwa unter sozioökonomischen Gesichtspunkten bei Sex Workern, zu berücksichtigen. Ist der Einsatz der unten empfohlenen empirischen Behandlungen aufgrund von Kontraindikationen nicht möglich, soll bei unkomplizierter Urethritis eine Behandlung erst nach Vorliegen des Erregernachweises erfolgen (↑↑). Bei chronischer Urethritis soll keine empirische antibiotische Behandlung erfolgen (↓↓), sondern zunächst eine umfassende Ursachensuche erfolgen (siehe Langfassung).

Wenn zum Zeitpunkt der initialen Vorstellung keine empirische antibiotische Behandlung durchgeführt wurde, soll die antibiotische Behandlung möglichst zeitnah nach Erhalt eines Erregernachweises entsprechend der empfohlenen erregerspezifischen Therapien erfolgen (↑↑). Nach Durchführung einer empirischen antibiotischen Therapie soll nach Vorliegen der Erregernachweise geprüft werden, ob die empirische Behandlung adäquat war und eine möglicherweise erforderliche zusätzliche erregerspezifische Behandlung möglichst zeitnah erfolgen (↑↑).

Klassifikation

Um bei der Indikation für eine empirische antibiotische Behandlung eine sinnvolle Therapieauswahl zu treffen, hat sich die Klassifikation von Urethritiden als gonorrhoische Urethritis (GU) oder nicht-gonorrhoische Urethritis (NGU) etabliert. Diese klinische und/oder mikroskopische Klassifikation ersetzt jedoch nicht die oben genannte Erregerdiagnostik, da sie weder zuverlässig die Diagnose oder den Ausschluss einer Gonorrhoe noch Aussagen über Koinfektionen oder spezifische Auslöser einer NGU ermöglicht.

Zur initialen Klassifikation als GU oder NGU soll das Vorliegen von urethralem Ausfluss geprüft und dessen Qualität beurteilt werden (purulent vs. nicht-purulent) (↑↑) und es kann eine mikroskopische Beurteilung des urethralen Abstrichs nach Methylenblau- oder Gramfärbung erwogen werden (0).

Die Daten aus der systematischen Literaturrecherche zeigen, dass die Inspektion des urethralen Ausflusses eine wichtige Grundlage zur initialen Klassifikation darstellt.

Die Leitliniengruppe empfiehlt aus Gründen der Förderung eines Antibiotic Stewardship-Ansatzes, eine Urethritis mit purulentem (gelblich-grünlichem) Ausfluss als GU und eine Urethritis mit mukopurulentem (weißlich-undurchsichtigem) oder mukoidem (wässrig-klarem) Ausfluss als NGU zu klassifizieren. Dies folgt der Rationale, dass der Anteil der falsch positiv als GU klassifizierten Befunde unter Verwendung dieser diagnostischen Gruppierung geringer ist, als wenn auch mukopurulenter Ausfluss als GU klassifiziert würde. Diese „spezifische“ Klassifikation reduziert somit die Häufigkeit einer Übertherapie unter empirischer Verabreichung von Ceftriaxon.

Bei der mikroskopischen Beurteilung eines urethralen Ausstrichs nach Methylenblau- bzw. Gramfärbung handelt es sich um eine weitere kostengünstige Untersuchung, die unmittelbar verfügbare Ergebnisse liefert. Hierbei erfolgt die Klassifikation aufgrund des mikroskopischen Direktnachweises von NG im Präparat des Ausstrichs (Identifikation von intraleukozytären Diplokokken). Dieses Verfahren erhöht die Sensitivität und Spezifität der initialen Klassifikation als GU oder NGU. Dennoch hat sich die Leitliniengruppe für die oben wiedergegebene „offene Empfehlung“ (kann) entschieden, da es sich um ein Verfahren handelt, das in vielen Arztpraxen nicht verfügbar ist und die korrekte Durchführung eine gewisse Routine erfordert.

Die klinische Verdachtsdiagnose einer GU soll gestellt werden, wenn es sich um purulenten (gelblich-grünlichen) Ausfluss handelt oder wenn sich mikroskopisch polymorphkernige Granulozyten mit intraleukozytären Diplokokken darstellen lassen (↑↑). Die klinische Verdachtsdiagnose einer NGU soll gestellt werden, wenn (1.) es sich um mukoiden (wässrig-klaren) oder mukopurulenten (weißlich-undurchsichtigen), d.h. nicht-eitrigen, urethralen Ausfluss handelt, oder (2.) mikros-kopisch polymorphkernige Granulozyten aber keine intraleukozytären Diplokokken darstellbar sind, oder (3.) wenn kein urethraler Ausfluss erkennbar ist, aber andere klinische Anzeichen und/oder subjektive Symptome einer Urethritis bestehen (↑↑).

Verdacht Auf Gu

Bei klinischem Verdacht auf GU entsprechend der oben genannten Klassifikation und bestehender Indikation zur Durchführung einer empirischen Therapie soll eine Behandlung mit Ceftriaxon 1.000-2.000 mg i.v. oder i.m. einmalig erfolgen (↑↑). Ceftriaxon diente in einem Großteil der randomisierten klinischen Studien zur Behandlung der urethralen Gonorrhoe als Vergleichsstandard. In vielen direkt vergleichenden Studien war Ceftriaxon der jeweiligen Vergleichsintervention signifikant überlegen und in keiner der Studien unterlegen.

Für die Beurteilung der Wirksamkeit antimikrobieller Therapien ist neben der Effektivität in klinischen Studien die regionale Resistenzlage entscheidend. Mit Stand Oktober 2024 ergab sich in der Resistenzsurveillance von NG in Deutschland für Ceftriaxon ein stabil sehr niedriges Resistenzlevel mit unter 1% resistenten Isolaten. Cefixim als oral verfügbares Cephalosporin der dritten Generation ist zwar in Hinblick auf die Wirksamkeit bei urethraler
Gonorrhoe vergleichbar, wird jedoch in der vorliegenden Leitlinie nicht empfohlen. Es gibt Hinweise, dass die Wirksamkeit bei pharyngealer Koinfektion eingeschränkt ist und der Einsatz von Cefixim somit die Entstehung von Cephalosporin-Resistenzen befördern könnte. Pharyngeale Koinfektionen mit NG wurden bei 19% (95%-KI: 10-33%, Studienteilnehmer: 89% Männer, die Sex mit Männern haben, GRADE +OOO) beziehungsweise, unter ausschließlicher Berücksichtigung von Daten zu heterosexuellen Männern, bei 5% (95%-KI: 3-9%, GRADE ++OO) beobachtet.

Als Antibiotikum mit langer Halbwertszeit ergeben sich durch die intravenöse oder intramuskuläre parenterale Applikation von Ceftriaxon keine relevanten pharmakodynamischen oder -kinetischen Unterschiede. Zu beachten ist jedoch, dass die i.m.-Applikation in der Regel schmerzhafter und unter bestimmten Bedingungen (beispielsweise Antikoagulation, Hämophilie) kontraindiziert ist. Die i.v.-Kurzinfusion stellt daher im Regelfall den Applikationsmodus der Wahl dar. Obwohl eine Dosis von 2.000 mg Ceftriaxon in kontrollierten Studien zur Behandlung der Gonorrhoe nicht untersucht wurde, spricht sich die Leitlinienkommission auf der Grundlage von Expert*innenmeinung für die Angabe eines Dosisspektrums bis 2.000 mg Ceftriaxon (Einmalgabe) aus.

Wie oben geschildert ist eine urethrale Koinfektion mit CT bei Personen mit urethralem NG-Nachweis in 21% der Fälle zu erwarten. Daher sollte in der empirischen Therapie der GU eine zusätzliche Behandlung mit Doxycyclin 100 mg p.o. zweimal täglich für sieben Tage erfolgen (↑). Auf die zusätzliche Behandlung mit Doxycyclin sollte jedoch verzichtet werden, wenn sichergestellt ist, dass die Behandlung einer etwaigen Koinfektion im Rahmen einer zeitnahen Wiedervorstellung erfolgt (↓).

Bei GU und Kontraindikationen gegenüber Doxycyclin kann alternativ, wenn eine Wiedervorstellung nicht gesichert ist, eine kombinierte empirische Behandlung mit Ceftriaxon wie oben angegeben und Azithromycin p.o. nach dem 4-Tage-Therapieschema (Tag 1: 1.000 mg, Tage 2-4: 500 mg p.o.) erwogen werden (0). Urethrale Koinfektion mit MG bei Personen mit urethralem NG-Nachweis sind in 11% der Fälle zu erwarten. In der empirischen Situation ist daher zu berücksichtigen, bei Verabreichung von Azithromycin keine Resistenzen von MG zu befördern. Die Datenlage hierzu ist limitiert, eine ausführliche Begründung für die angegebene Dosierung von Azithromycin findet sich in der Langfassung der Leitlinie (Abschnitt antibiotische Therapie bei M. genitalium).

Verdacht auf NGU

Tab. 2   Beispiele für risikoadaptierte Testangebote zum Ausschluss weiterer sexuell übertragener Infektionen
Tab. 2 Beispiele für risikoadaptierte Testangebote zum Ausschluss weiterer sexuell übertragener Infektionen

Bei einer NGU finden sich am häufigsten Infektionen mit CT (26%, 95%-KI: 21-31%, GRADE ++OO) und MG (17%, 95%-KI: 11-26%, GRADE +OOO). Ebenfalls häufig sind Nachweise von UU (20%, 95%-KI: 11-33%, GRADE +OOO), wobei die klinische Relevanz von UU individuell zu prüfen ist.

Bei klinischem Verdacht auf NGU und Indikation zur Durchführung einer empirischen Therapie soll eine Behandlung mit Doxycyclin 100 mg p.o. zweimal täglich für sieben Tage erfolgen (↑↑). Doxycyclin gilt als Mittel der Wahl zur Behandlung von CT und UU (siehe erregerspezifische Therapieempfehlungen in der Langfassung). In Hinblick auf die Behandlung von MG ist von einer unzureichenden Wirksamkeit von Doxycyclin auszugehen. Um jedoch die Anwendung von Azithromycin, das in Bezug auf Resistenzen bei NG und MG zunehmend problematisch ist, möglichst einzugrenzen, spricht sich die Leitlinienkommission dennoch für Doxycyclin als empirische Erstlinientherapie bei NGU aus.

Bei Kontraindikationen gegenüber Doxycyclin sollte alternativ, wenn eine Wiedervorstellung zur erregerspezifischen Behandlung nicht gesichert ist, eine empirische Behandlung mit Azithromycin p.o. nach dem 4-Tage-Therapieschema (Tag 1: 1.000 mg, Tage 2-4: 500 mg p.o.) erfolgen (↑). Die Leitliniengruppe spricht sich für das 4-Tage-Therapieschema aus, da es möglicherweise in geringerem Maße Azithromycin-Resistenzen bei MG befördert (ausführliche Begründung siehe Langfassung).

Beratung und Nachsorge

Personen mit klinischer Diagnose einer Urethritis

  • sollen darüber informiert werden, dass eine sexuelle Karenz mindestens bis eine Woche nach Abschluss der antibiotischen Therapie oder, bei fortbestehenden Symptomen, länger einzuhalten ist (↑↑).
  • sollen darüber informiert werden, dass Sexpartner*innen der letzten Wochen vor Beginn der Symptome über die Diagnose und die Notwendigkeit einer entsprechenden Diagnostik und ggf. Therapie informiert werden sollen (↑↑).
  • soll neben der in dieser Leitlinie empfohlenen Urethritisdiagnostik eine Testung auf HIV und weitere STI angeboten werden (↑↑), siehe Tabelle 2.
  • sollen über Maßnahmen zur Reduktion des Risikos für HIV und andere STI informiert werden, z.B. Schutzwirkung von Kondomen, je nach Risiko HIV-Präexpositionsprophylaxe, Schutzimpfungen gegen impfpräventable STI (↑↑).
  • sollen darüber informiert werden, dass bei Persistenz der Symptome mehr als zwei Wochen nach Abschluss der antibiotischen Therapie oder bei Wiederauftreten von Symptomen eine erneute ärztliche Vorstellung erfolgen soll (↑↑).

Bei initialem Nachweis von N. gonorrhoeae, C. trachomatis oder M. genitalium sollte eine Kontrolluntersuchung zum Test of Cure sechs bis zwölf Wochen nach Abschluss der antibiotischen Therapie geplant werden (↑).

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